Wegbeschreibung: |
Tour: Zugspitze – Knorrhütte – Reintalangerhütte –
Schachenhaus – Meilerhütte – Leutasch – Gießenbach – Eppzirl-Alm – Solsteinhaus – Neue
Magdeburger Hütte – Bhf Hochzirl bei Innsbruck
Bei mir ergab sich die Notwendigkeit, zum einen mit einem Freund zusammen über das Höllental auf die
Zugspitze zu wandern, zum andern schon eine Woche später wieder in Bozen sein zu müssen. Da sich für
mich, der aus Norddeutschland kommt, die ganze Fahrerei nicht gelohnt hätte, habe ich die Gelegenheit
beim Schopfe gepackt und bin zu Fuß nach Innsbruck gewandert, um von dort aus mit dem Zug
weiterzufahren. Wie sich zeigte, hatte ich mir da eine ganz hübsche Strecke ausgesucht.
Tag 1: Vom Münchener Haus (Zugspitze) hinab ins Reintal zur Reintalangerhütte
Ich hatte Glück gehabt und nach dem langen Aufstieg über das Höllental noch einen der wenigen
Schlafplätze im Münchener Haus bekommen. Das hieß für mich: nicht so früh aufstehen und den heutigen
Tag geruhsam angehen.
In der Nacht hatte es gewittert dort oben, und der Gipfel war in undurchdringlichem Nebel verschwunden.
Wir hatten in der gemütlichen Gaststube gesessen und uns Geschichten erzählt, und eine davon hatte mein
besonderes Interesse geweckt. Das war die vom Reintalhüttenangerwirt Charly Wehrle. Angeblich soll der
schon viele tolle Sachen gemacht haben. Vor einiger Zeit ist er mit ein paar Freunden ins Himalaya, und
zwar „mit Hackbrett und Kontrabaß“, um dort einen Freund zu besuchen. Auf dem Weg dahin haben sie
Straßenkonzerte gegeben – das erste „Musiktrekking“, von dem ich bisher gehört habe. Der Charly hat
sogar einen Diavortrag dazu ausgearbeitet. Und um ein wenig von dem Gefühl dieser Reise auch ins
Reintal zu tragen, flattern nun Gebetsfahnen über dem Fluß, und die Gäste werden jeden Morgen sanft von
den Klängen seines Hackbretts geweckt. (Homepage: www.charly-wehrle.de )
Jedenfalls konnte ich mir das nicht entgehen lassen; die Hütte lag ja auch direkt auf der geplanten
Route!
Also bin ich dann am nächsten Morgen los, der Nebel war noch so dicht, daß ich mich zwei Male kurz
hinter dem Gipfel um ein Haar verlaufen hätte. Das erste Mal landete ich auf der Trasse für die
Versorgungsleitungen, die auf einmal fast senkrecht vor mir in der Tiefe verschwanden – also wieder
zurück!- , das zweite Mal hätte ich fast eine halsbrecherische Gratwanderung angetreten. Bei
Sichtweiten unter 10m ist das alles nicht so ganz einfach.
Dann hatte ich aber den richtigen Weg, und es ging, gut mit Drahtseilen versichert, hinab aufs
Zugspitzplatt. Alles kein Problem, bis ich zum letzten Abschnitt kam, zum Schotterfeld- das war so
unangenehm, daß ich froh war, endlich unten zu sein.
Wo ich dann stand, das war eine Steinwüste. Im Winter Skifahrerparadies, jetzt im Sommer nur Schotter
und Steine und Skilifte, wohin man auch schaut. Kein Baum, kein Tier.. Man hätte jetzt schleunigst
von hier verschwinden können, 50m weiter hätte man die Endhaltestelle der Zugspitzbahn gefunden (die
die letzten Kilometer übrigens unterirdisch fährt). Ich aber wollte zu Fuß weiter.
Jeweils in Sichtweite angebracht, findet sich eine durchnummerierte Anzahl roter Stangen, die einem den
Weg aus dem Reintal weisen, Schotter ohne Ende – bis die Markierungen aufhören und man sich plötzlich
vor der Knorrhütte wiederfindet.
In der Zwischenzeit hatte ich noch einen Begleiter gefunden (der Freund, mit dem ich auf der Zugspitze
war, hatte nur einen Tag Urlaub bekommen und war gestern Nachmittag bereits wieder abgefahren), und wir
machten kurz Rast und tranken eine heiße Schokolade.
Kurz hinter der Knorrhütte setzte dann die Vegetation ein, erst spärliches Kraut zwischen den Steinen,
dann erste verkrüppelte Bäume, und schließlich sogar Schafe. Der Nebel hatte sich den ganzen Tag nicht
verzogen, aber hier machte das Wandern wieder Spaß. In steilen Serpentinen ging es hinab, schließlich
landete man auf einer Ebene, der Weg kuschelte sich eng an den kleinen Bach, und da tauchten sie auch
schon auf aus dem Dunst... die Gebetsfahnen der Reintalangerhütte!
Ich war sehr langsam gegangen und trotzdem schon am frühen Nachmittag da. Den Rest des Tages ließ ich
mir Zeit und spannte aus. Vom berühmten Hüttenwirt war leider nichts zu sehen; wie sich
enttäuschenderweise herausstellte, fand sogar das Wecken mit Musik am nächsten Morgen nicht statt.
Woran mag es wohl gelegen haben? War der Wirt einfach nicht anwesend, hatte er gar selber das Wecken
verpennt, oder lag es etwa an den gelben Ohrstöpseln, die mich gegen die zahlreichen nächtlichen
Schnarchangriffe schützen sollten...?
Tag 2: Von der Reintalangerhütte zur Meilerhütte
Am nächsten Morgen gab es eine eiskalte Dusche (warm wäre auch möglich gewesen, hätte allerdings mein
knappes Budget nur unnötig strapaziert) und ein nicht gerade üppiges Frühstück aus Kaffee, 3 dünnen
Scheiben Brot und Marmelade für DM 12,-. Tja, kommt halt alles per Heli und die frischen Sachen per
Motorrad...
Letzteres habe ich dann sogar gesehen, nein, um ehrlich zu sein, zuerst gehört. Auf dem Weitermarsch
durchs Reintal. Nach dem ersten Wahrnehmen des Knatterns hatte ich noch genau ½ Sekunde Zeit, um
irgendwohin seitwärts ins Gebüsch zu springen, dann sah ich sie auch, die riesige Enduro mit den
Alukisten an der Seite, wie sie, von so einem jungen Kamikaze mit zerschrammtem Uralt-Berghelm auf dem
Kopf gefahren, mit einem Affenzahn in der Tiefe verschwand. Brauchten wohl dringend noch frisches Brot
oder so.
Als das Adrenalin wieder abgebaut war, genoß ich das Reintal. Selten so etwas schönes gesehen: der
rauschende Bach mit Kiesstrand, und der Weg, der sich an seinem Ufer entlangschlängelt. Faszinierende
Farben des Wassers.
Schließlich ging es über eine Brücke auf die andere Seite, und der sehr steile Aufstieg in Serpentinen
durch bewaldete Hänge begann. Dann kam der Einstieg zum „Teufelsgsaß“, der an Drahtseilen gesichert
zunächst schlimmeres vermuten ließ, als sich letztendlich vorfand. Aber trotzdem atemberaubend immer
höher mit sehr schmalen Wegen und steilen Abbrüchen, bis man schließlich beim Schachenhaus herauskam,
überall Touris und sogar eine Bushaltestelle. Das fand ich so unromantisch, daß ich nur schnell noch
mein Wasser auffüllte und dann Richtung Meilerhütte weiterzog, obwohl sich schon wieder das eine oder
andere Wölkchen recht bedrohlich aufgetürmt hatte. Für den Weg brauchte ich noch einmal 1 1/2h, denn es
ging wieder kräftig aufwärts. Besonders die letzten Meter zogen sich besonders in die Länge, man sieht
das Haus ganz nah hoch oben über sich, aber es will einfach nicht näher kommen...
Als ich dann schließlich da war, hatten sich die Wolken erstaunlicherweise wieder aufgelöst. Für DM
10,- sicherte ich mir ein Lager unter dem frisch renovierten Dach, wusch mich dann in den Schüsseln im
neben der Hütte gelegenen Waschhäuschen und genoß die leckeren Bratkartoffeln für DM 8,90. Was mir
auffiel: diese Hütte ist sehr preisgünstig. Das Frühstück kann man auf Wunsch selber zusammenstellen,
jede Scheibe Brot kostet DM 1,-, genau wie die Portion Marmelade. Das erste Mal, daß ich wieder
halbwegs satt wurde.
Tag 3: Von der Meilerhütte zur Eppzirlalm
Der heutige Tag hatte es wirklich in sich. Keine Hütte mehr in greifbarer Nähe, das bedeutete, daß ich
mit einer 10-Stunden-Wanderung rechnen mußte.
Trotzdem bin ich erst um 8:00 aufgebrochen, der gestrige Tag war einfach zu anstrengend gewesen.
Der Abstieg war sehr steil und steinschlaggefährdet, 50m vor mir polterte ein ansehnlicher Brocken von
irgendwo her über den Weg und verschwand in der Tiefe. Vorfälle dieser Art finden sich im Wetterstein
und Karwendel anscheinend häufiger, das sollte ich später noch zu spüren bekommen. Dann zogen auch noch
Wolken auf, es fing an zu regnen, und dann donnerte es. Ca. 1 1/2h nach der Hütte kommt ein kleines,
frisch errichtetes Holzhäuschen mit großem Vordach, aber ich zog es vor, lieber schnell abzusteigen.
Das Gewitter gefiel mir überhaupt nicht. Aber der Weg zog sich endlos hin, und es goß in Strömen.
Irgendwann setzte dann die Vegetation ein, und kurz danach, in der Karte waren Serpentinen
eingezeichnet, kamen superrutschige, extrem steile Stellen, für die ich eine Ewigkeit brauchte. Ich war
am Ende, aß erst mein Brot und dann kurz darauf noch meine „Notfallschokolade“, und als ich schließlich
unten war, hatte ich keine Lust auf nichts mehr und wollte nur noch nach Leutasch und was zu Essen
kaufen.
Als ich dort ankam, fand sich auch der ersehnte Supermarkt, und ich deckte mich mit Nahrung ein und
stopfte mir den Bauch voll.
Dann ging es weiter Richtung Scharnitz, 400 Höhenmeter auf Forststraße im Nieselregen bei 18°C
aufwärts, stupide. Nach der Bergkuppe zunächst noch weiter, bis der Weg in halsbrecherische Serpentinen
überging, teilweise weggebrochen war und so zum Trampelpfad wurde, aber später wieder in einen breiten
Sandweg überging, der nach Gießenbach/Scharnitz führte. Als ich dort ankam, war es bereits 16:30 – ,ich
war schon über 8 Stunden unterwegs. Dann noch hoch zur Eppzirl-Alm, an einem reißenden Bach entlang und
gar nicht steil, auf guter Fahrstraße.
Mehrere auf der Karte nicht verzeichnete, abzweigende Fahrwege machten mich unsicher, ich blieb auf dem
breitesten und hatte Glück damit. 18:20 tauchte vor mir die Eppzirl-Alm auf, es regnete immer noch.
Die Eppzirl-Alm ist in Privatbesitz und hat nur 10 Lager, einfache Matratzen auf dem Dachboden, aber
alles sehr günstig und das Essen ausgesprochen gut. Die Übernachtung kostete mich ATS 80,-, also etwa
DM 12,-.
Einen eigenen Schlafsack muß man allerdings unbedingt mitbringen, Bettwäsche gibt es dort nicht.
Trotz des sehr preiswerten Essens bediente ich mich aus meinem in Leutasch aufgefüllten Rucksack, er
sollte leichter werden für morgen, für den „Endspurt“. Ich trank nur einen Tee, hatte am nächsten
Morgen ein sehr gutes Frühstück mit „frischgezapfter“, noch kuhwarmer Milch und selbstgemachter Butter,
und zahlte incl. Übernachtung für alles zusammen DM 20,-. Da gab es wirklich nichts zu meckern.
Die Eppzirl-Alm hat übrigens keinen Strom, und geheizt und gekocht wird mit Holz. Alles ganz urig, am
Abend kommen dann eine Gaslaterne und Kerzen in die gemütliche Gaststube. Nur morgens springt für kurze
Zeit ein Generator an, der die Melkmaschine versorgt. Die Kühe stehen dann schon vor dem Stall und
warten. Leider ist der Generator so laut und die Abgase ziehen ins Lager, daß man gar nicht auf die
Idee kommt, noch ein wenig liegen zu bleiben.
Tag 4: Von der Eppzirl-Alm zur Neuen Magdeburger Hütte
Um 8:30 bin ich dann, nach dem besonders guten Frühstück, aufgebrochen, es regnete immer noch. Der Weg
sei aber trotzdem kein Problem, hatte der Hüttenwirt gesagt, alles gut versichert.
Wieder mal Serpentinen, endlos, im gespenstischen Nebel hoch zur Eppzirler Scharte. Alle paar Meter ein
Alpensalamander auf dem Weg. Auf der anderen Seite der Scharte mal wieder ein Schotterfeld, es ging
hinab. Nicht schwierig, der Weg, aber lang. Nach 3 Stunden, um 11:30, war ich am Solsteinhaus und
wärmte mich in der Gaststube auf. Auch hier noch mal die Nachfrage, wie es um den Eppzirler
Schützensteig, meine nächste Etappe, bestellt sei, und wieder die selbe Antwort: alles kein Problem.
Der Weg sei ja auch ziemlich eben.
Tja, da tat sich bereits das erste Problem auf. Seltsamerweise war dieser Schützensteig ein einziges
Auf und Ab. Zunächst ein Auf. und, Nebel sei Dank, mal wieder keine Chance, zu sehen, wo ich bin.
Zunächst dachte ich, ich sei vielleicht falsch. Dann kam ich aber zum „Kamin“, der war auf meiner Karte
verzeichnet, und ich wußte, daß ich richtig war.
Dieser Kamin schien es aber in sich zu haben, schließlich trägt er seinen Namen nicht umsonst. Fast
senkrecht auf Felsstufen geht es abwärts, zwar mit Drahtseilen versichert, von denen aber etliche
ausgebrochen und beschädigt waren.
Wieder zeigte sich, daß der erste Eindruck beängstigender war als das Bild, das sich nach den ersten
10m auftat. Steil zwar, aber nur am Anfang wirklich absturzgefährdet. Der Rest geht.
Dann, unter dem Kamin, weiter auf dem Schotter, durch Latschen hindurch. Sehen konnte man wegen des
Nebels nicht einmal 50m weit. Aber auf einmal hörte ich, daß meine Tourenstöcke beim Aufsetzen so einen
seltsamen, hallenden Ton erzeugten. Vor mir tat sich, kurz darauf, eine riesige, fast senkrechte Wand
auf, an der ging es rechts vorbei und um ihre Ecke herum. Auf Schotterweg weiter und da passierte es.
Dicht vor mir, hoch oben, ein gewaltiges Krachen, wie von einer Sprengladung, daraufhin ein Rumpeln.
Eine gewaltige Menge Fels rauschte nur 50m vor mir schemenhaft im Nebel den Hang runter. Und keine
Chance, zu sehen, ob noch was nachkommt. Da hatte ich noch einmal unbeschreibliches Glück gehabt.
Der weitere Weg war dann das Grauen selbst, denn der Weg schmiegte sich so eng an den brüchigen und mit
Steinbrocken übersäten, steilen Fels, daß ich damit rechnen mußte, jederzeit wieder etwas auf den Kopf
zu bekommen. Da hätte auch ein Helm nicht mehr geholfen.
Achtung also an alle, die diese Tour nachgehen wollen: Steinschlaghelm ist hier meiner Meinung nach
absolut Pflicht, außerdem sollte man keinesfalls bei Nebel gehen (man kann dann nicht mehr ausweichen,
wenn tatsächlich was runterkommen sollte), und außerdem nicht bei oder kurz nach Regenwetter, weil dann
die Steinschlaggefahr besonders hoch ist.
Zum Glück ging alles gut, irgendwann wich der Fels zurück und ich stand im Wald und erreichte kurze
Zeit später, völlig aufgelöst, die Neue Magdeburger Hütte.
Am Abend unterhielt ich mich noch mit einem weiteren Gast über den für den nächsten Tag geplanten
Abschnitt.. Er meinte, in Kranebitten, wo ich am nächsten Morgen in den Zug steigen wollte, würde
dieser nicht oft halten. Und ich mußte schon sehr früh in Innsbruck sein, weil ich meinen Zug nach
Bozen bekommen mußte.
Also entschloß ich mich, nach Hochzirl zu gehen, wo der Zug immer hält. Vom Solsteinhaus führt auch
direkt ein Weg dorthin, den Schützensteig hätte ich mir also ersparen können. Aber das weiß man ja
vorher nicht.
Tag 5: Von der Neuen Magdeburger Hütte zur Bahnstation Hochzirl (->Innsbruck)
Um 11:28 sollte in Innsbruck mein Zug gehen, ich war verabredet und es durfte nichts schiefgehen.
Deshalb brach ich schon um 5:00 auf, trotz Regen und Dunkelheit, und war froh über meine Stirnlampe.
Der Weg bringt keine Besonderheiten, lediglich 1/2h vor dem Bahnhof steht an einer Wegkreuzung ein
Schild, auf dem wegen „Lebensgefahr“ jede Haftung bei Betreten abgelehnt wird. Worin nun aber diese
Gefahr besteht, darüber gibt das Schild keine Auskunft. Außerdem deutete ein großes Schild „Bhf
Hochzirl“ in Richtung des so gefährlichen Weges.
Weil ich es eilig hatte, entschloß ich mich, erst mal zu schauen.
Tatsächlich war nichts gefährlich, aber auch gar nichts. An einer Stelle führt der Weg für 5m vor dem
Ausfluß eines Wehres entlang, aus dem aber kein Wasser kam, weil es wohl für die Regulation des
Schmelzwasserabflusses im Frühling konstruiert ist. Man geht nicht einmal durch eine Senke, der Weg ist
hier völlig eben.
Um 8:00 war ich in Hochzirl, dort fuhr gerade ein Zug Richtung Innsbruck ein, in den ich stieg , und
was dann passierte, ist eine andere Geschichte... |